Rheuma bei Kindern: Neue Therapie? Die Hoffnung der Ärzte
Cornelia Werner (Quelle: abendblatt.de/ratgeber/wissen/medizin)
Sie haben Schmerzen, sind eingeschränkt in ihren Bewegungen – und können vieles nicht machen, was Kinder ebenso tun. Weil sie an Rheuma leiden. Wie sich die Gelenkkrankheit bei den ganz Kleinen zeigt, und wie sie zu therapieren ist.
Rheuma bei Kindern: Symptome
Er hatte eben die ersten Schritte seines Lebens getan, langsam, auf wackeligen Beinen und staunend darüber, dass auch Gehen eine Möglichkeit der Fortbewegung ist. Und dann kam der Schmerz. Der war heiß, schneidend – nie gekannt. Und unerträglich: Rheuma. Schon Kleinkinder können daran erkranken. Sie versuchen sofort instinktiv dem Schmerz auszuweichen und vermeiden das Stehen oder Gehen, setzen sich einfach wieder hin. „Ein solches Verhalten kann das erste Anzeichen für eine rheumatische Erkrankung sein“, sagt Dr. Elisabeth Weissbarth-Riedel, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Kinderrheumatologin in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Eppendorf.
Rheuma bei Kindern: Die häufigste Form
Erst wenn die Kinder älter werden, klagen sie auch über Beschwerden. Sogar typische Zeichen einer Gelenkentzündung wie Rötung, Schwellung und Überwärmung können bei Kleinkindern fehlen. Rheuma kann, wie bei Erwachsenen auch, viele Erscheinungsbilder haben. Das chronische kindliche Gelenkrheuma, die sogenannte juvenile idiopathische Arthritis, ist die häufigste Form. Dabei können nur eins, aber auch mehrere Gelenke betroffen sein. Jedes Jahr erkranken daran etwa 1.400 Kinder in Deutschland.
Rheuma bei Kindern: Fehsteuerung des Immunsystems
Der Mechanismus, der dieser Krankheit zugrunde liegt, ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. „Das Abwehrsystem reagiert übersensibel oder geht falsche Wege, so kommt es zu einer chronischen Entzündungsreaktion“, erklärt die Kinderrheumatologin. Diese Fehlregulation kann sich auf ein Gelenk konzentrieren, dann spricht man von einer Arthritis. Aber es gibt auch andere schwerere Formen, die den ganzen Körper betreffen können. „Je ausgeprägter neben den Gelenkbeschwerden allgemeine Symptome auftreten wie Abgeschlagenheit und Fieber, umso eher muss man auch an eine systemische Erkrankung denken.“
Rheuma bei Kindern: Arthritis
Bei der Arthritis können alle Gelenke entzündet sein. „Es gibt eine Unterform, bei der hauptsächlich große Gelenke, am häufigsten das Kniegelenk, betroffen sind, vor allem bei Kindern im Vorschulalter, überwiegend Mädchen. Bei einer weiteren Variante konzentriert sich die Entzündung auf die Sehnenansätze, zum Beispiel an den Achillessehnen, sodass die Kinder Schmerzen an den Fersen haben. Diese Form tritt überwiegend bei Kindern im Schulalter auf, vor allem Jungen“, so Weissbarth-Riedel. Auch die Kiefergelenke oder die Wirbelsäule können betroffen sein.
Rheuma bei Kindern: Erbliche Veranlagung?
Wie es zu der Erkrankung kommt ist, noch unklar. „Es gibt zwar eine erbliche Veranlagung, aber sie reicht allein nicht aus, um das Rheuma auszulösen. Dafür müssen mehrere Faktoren zusammenkommen. Das kann zum Beispiel ein banaler Virusinfekt sein. Auch Umweltfaktoren, wie Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft, führen zu einem erhöhten Risiko“, sagt Weissbarth-Riedel. Der Verdacht auf ein chronisches Gelenkrheuma ergibt sich, wenn ein Kind länger als sechs Wochen Beschwerden in einem Gelenk hat. Dann wird das Kind meist vom Kinderarzt an einen Spezialisten überwiesen. „Wenn die Jungen und Mädchen zu uns kommen, werden sie zunächst von Kopf bis Fuß untersucht – denn oft findet man außer am betroffenen Gelenk noch andere Hinweise auf die Erkrankung wie Haut- und Nagelveränderungen. Wir schicken die Kinder auch zum Augenarzt, um eine rheumatische Augenentzündung auszuschließen“, sagt die Rheumatologin. Das ist der Beginn einer intensiven Spurensuche. Denn beim kindlichen Rheuma gibt es keine eindeutigen Labortests, die die Erkrankung beweisen. „Die Diagnose ergibt sich aus dem Verlauf der Erkrankung und daraus, welche Gelenke befallen sind“, betont die Kinderrheumatologin.Die betroffenen Gelenke werden mit Ultraschall untersucht. Eventuell sind auch weiterführende Untersuchungen wie Röntgen oder auch eine Kernspintomografie nötig.
Rheuma bei Kindern: Was ist die richtige Therapie?
Wird die Diagnose Rheuma gestellt, geht es dann darum, die richtige Therapie zu finden.
„Alle Therapien zielen darauf ab, die rheumatische Entzündung zu unterdrücken“, erklärt die Kinderärztin. Die Therapie erfolgt nach einem Stufenschema. Zunächst erhalten die Kinder Medikamente, die sowohl entzündungshemmend als auch schmerzlindernd wirken. Zu dieser Gruppe gehört zum Beispiel das Ibuprofen. Wenn nur eines oder wenige Gelenke betroffen sind, kann auch eine direkte Kortisoneinspritzung in das Gelenk erfolgen. „Wenn das nicht ausreicht, würde man eine sogenannte Basistherapie beginnen, mit langsam wirkenden Rheumamedikamenten. Das Standardmedikament aus dieser Gruppe ist das Methotrexat. Viele Eltern haben davor Angst, weil es auch in der Krebstherapie eingesetzt wird. Aber die Dosis, die bei Rheuma verabreicht wird, ist ungefähr ein Tausendstel der bei einer Krebstherapie angewandten. Entsprechend geringer sind auch die Nebenwirkungen.“
Rheuma bei Kindern: Was sind Biologica?
Wenn auch unter dieser Therapie die Krankheit weiter aktiv ist, gibt es sogenannte Biologica. „Das sind neue Medikamente, die einen völlig anderen Wirkungsansatz haben. Sie blockieren Entzündungsbotenstoffe im Körper. Ein solcher Stoff ist zum Beispiel das TNF-Alpha. Nachteil dieser TNF-Alpha-Blocker ist, dass sie unter die Haut gespritzt werden müssen. Aber die Therapie hat bei etwa 80 Prozent der Patienten sehr gute Erfolge“, sagt Weissbarth-Riedel. Alle diese Medikamente sollten unter regelmäßiger ärztlicher Überwachung eingenommen werden. Da das Rheuma in Schüben kommt, werden die Medikamente dann eingesetzt, wenn ein Schub beginnt. „Aber da man nicht weiß, wie lange ein solcher Schub dauert, ist die Therapie immer langfristig angelegt. Sobald eine Patient eine Basistherapie benötigt, muss mit einer Behandlungsdauer von mindestens einem Jahr gerechnet werden“, sagt die Kinderrheumatologin. Die Therapie, zu der auch Krankengymnastik und Ergotherapie gehören, zielt darauf ab, die Entzündung so zu unterdrücken, dass die Kinder schmerzfrei sind und sich normal bewegen können. „Denn wenn sie krankhafte Bewegungsmuster haben, besteht die Gefahr, dass sie langfristig Gelenkveränderungen zurückbehalten wie zum Beispiel Sehnenverkürzungen, die ihnen auch später, wenn die Krankheit zum Stillstand gekommen ist, noch Probleme bereiten.
Rheuma bei Kindern: Prognose
„Insgesamt ist die Prognose im Vergleich zum Rheuma des Erwachsenen sehr viel günstiger: 50 Prozent der betroffenen Kinder haben bei frühzeitiger Therapie im Erwachsenenalter keine Beschwerden mehr und müssen keine Medikamente einnehmen“, sagt Weissbarth-Riedel.