Aus der Welt der Herzmedizin – Dr. med. Patrick Neumann-Schniedewind, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie

Um die Behandlungen von Herz-Kreislauferkrankungen, wie z.B. Bluthochdruck, Herzversagen, Infarkte oder Schlaganfälle zu verbessern, werden ständig neue Medikamente oder Methoden entwickelt, die in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dann in Fachzeitschriften oder auf Kongressen vorgestellt. Je nach Größe und Überzeugungskraft fließen die Ergebnisse dann in sog. Leitlinien ein, an denen sich die Ärzteschaft orientiert. Das nennt man Evidenz-basierte Medizin (oder auch klassische Schulmedizin).

Der Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) fand im August 2023 in Amsterdam statt. Damit Sie sich ein ungefähres Bild davon machen können, was derzeit die Kardiologen beschäftigt: hier ein kleiner Ausflug in die Welt der modernen Herzmedizin.

  • Herzinsuffizienz ist ein Versagen des Herzmuskels, Blut im Körper weiterpumpen zu können. Man unterscheidet dabei zwei Arten der Pumpkraft: die sog. systolische (Auswurf des Blutes) und die diastolische Phase (Füllung der Herzkammern). Die
    Letztere ist Gegenstand vieler Untersuchungen und bisher gab es kaum überzeugende Behandlungsansätze. Das hat sich jetzt geändert. Ursprünglich nur für die Blutzuckerkrankheit eingesetzte Medikamente (SGLT-2-Hemmer, wie Dapagliflozin oder Empagliflozin) konnten die Sterberate oder Krankenhauseinweisungen verringern (ESC Leitlinien-Update 2023 zur Herzinsuffizienz).
  • Eisen spielt im Körper für den Transport von Sauerstoff eine lebenswichtige Rolle. Verabreichung von Eiseninfusionen bei Herzinsuffizienz-Patienten kann notwendig werden. Dies wurde noch einmal bestätigt und führte laut einer neuen Untersuchung zur Verbesserung der Lebensqualität und sollte nun konsequent eingesetzt werden (ESC Leitlinien-Update 2023 zur Herzinsuffizienz).
  • Schrittmacher werden bei Patienten eingesetzt, bei denen eine Stimulation des Herzmuskels fehlt, um eine anschließende Kontraktion auszulösen. Es sind etwa 5cm große Programmiergeräte unterhalb der linken Schulter, die über Kabel kurze
    Stromstöße im Herzen abgeben. Diese müssen regelmäßig beim Kardiologen überprüft werden. Dabei werden alle Arten von Rhythmusstörungen aufgezeichnet. Darunter kann auch Vorhofflimmern sein, das eigentlich mit Blutverdünnern
    behandelt werden müsste. Und hier kommt wieder eine neue Vergleichsstudie ins Spiel: es zeigte sich, dass nicht alle Herzrhythmusstörungen im Vorhof blutverdünnt werden müssen (NOAH-AFNET-6-Studie).
  • Nach einem schweren Herzinfarkt kann es in seltenen Fällen zu einem sog. Schockzustand des Patienten kommen. Hierbei handelt es sich um einen lebensgefährlichen Zustand, bei dem die Organe nicht mehr ausreichend durchblutet werden, der ohne Behandlung zum Tode führt. Häufig wird dann neben der Eröffnung des verschlossenen Gefäßes am Herzen noch eine Herzkreislauf-Maschine (ECMO=Extracorporeal Membrane Oxygenation) an den Patienten angeschlossen, die die Regulierung der Durchblutung zeitweise übernimmt. In einer großen Studie wurde nun bewiesen, dass eine solche ECMO bei diesen Patienten keinen Vorteil bietet (ECLS-SHOCK-Studie).
  • Semaglutid (GLP-1-Rezeptor Antagonist), ebenfalls ein Medikament ursprünglich nur zur Behandlung von Diabetikern, zeigte bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Fettleibigkeit eine deutliche Verbesserung der Beschwerden und der Gewichtsabnahme (STEP-HFpEF). Diese Medikamente sind auch als „Abnehm-Pille“ bekannt und erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit, dürfen aber nur in ganz bestimmten Patientengruppen eingesetzt werden.
  • Bei einem Herzinfarkt wird in den meisten Fällen das verschlossene Gefäß mit einem Ballon geöffnet und ein sog. Stent (Gefäßstütze aus Draht) eingebracht. Eine Alternative dazu wäre ein operativer Bypass durch die Herzchirurgen. Eine
    Untersuchung zeigte, dass auch andere Gefäße des Herzens, die wesentlich verengt sind, aber nicht unbedingt am Infarkt beteiligt waren, im gleichen Zeitraum erweitert werden sollten (FIRE).
  • Es gibt Herzerkrankungen, bei denen Proteine krankhaft in die Herzmuskulatur eingelagert werden und damit die Pumpfunktion wesentlich beeinträchtigen. Bei der Amyloidose ist dies der Fall und ist unbehandelt meist tödlich. Ein neues Medikament wurde an über 300 Patienten mit solch einer Beeinträchtigung eingesetzt. Diese konnten deutlich von der Behandlung profitieren im Vergleich zu Patienten ohne das neue Medikament (ATTRibute-CM).
  • Bei Krebserkrankungen kommt es häufiger zu Gerinnseln, insbesondere in den Beinvenen. Normalerweise wird dann eine Blutverdünnung (Antikoagulation) in
    Tablettenform für drei Monate angesetzt. Es zeigte sich aber in einer Studie, dass
    Krebspatienten mehr von einer 12-monaƟgen Behandlung profitieren und weniger
    Rückfälle erleiden (ONCO-DVT).
  • Eine Blutverdünnung ist auch, wie oben schon erwähnt, bei Vorhofflimmern unabdingbar, um Schlaganfälle zu vermeiden. Dabei gibt es seit einigen Jahren neue Medikamente (NOAK), die die herkömmlichen, etwas umständlich einzustellenden Tabletten (VKA, z.B. Marcumar) so gut wie abgelöst haben. Jetzt zeigte sich aber, dass dies nicht auf ältere Patientengruppen (Durchschnittsalter 83 Jahre) übertragbar ist und hier die VKAs besser abgeschnitten haben (FRAIL-AF).

Wie Sie sehen können, handelt es sich um Detailfragen. Aber diese sind teilweise lebensentscheidend und als Fachärzte müssen wir uns ständig in Zeitschriften informieren, an Fortbildungen teilnehmen und uns intensiv mit Kollegen austauschen.
Nur so können wir Ihnen die beste Medizin anbieten.

 

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